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Für die anderen erzähle ich eine Liebesgeschichte:
Der Männerchor mit Frauen war kürzlich zu Besuch in der engeren Heimat seines Dirigenten. Im Elternhaus empfängt uns seine 79jährige Mutter mit
überströmender Herzlichkeit. Mit ihrer gleichaltrigen Freundin und ihrer Enkeltochter offerieren sie im Garten einen Apero für die über 50 Personen. Am Nachmittag ist ein Besuch in der Stiftskirche
in Beromünster angesagt. Da unser Dirigent einen ausgezeichneten Ruf als fähiger Organist hat, war es kein Problem, von den Domherren die Bewilligung für ein kleines Konzert des Männerchors zu
erhalten.
Das Publikum sind unsere Frauen, und denen müssen wir weder gesanglich noch sonst etwas vormachen. Deshalb ist die Stimmung der Sänger, im Gegensatz zu Auftritten bei öffentlichen Konzerten, locker
und gelöst. Das Mini-Konzert beginnt mit einem rauschenden Orgelspiel. Dann folgen zwei, drei besinnliche Lieder des Männerchors. Weil der Dirigent oben auf der Empore steht, müssen alle Sänger den
Kopf höher heben. Schon rein optisch bekommt der Gesang zur Ehre Gottes mehr Glaubwürdigkeit. Und dann die Akustik! Wohl selten haben Lieder besser geklungen. Publikum, Chor und Dirigent geniessen
die feierliche Stimmung. Die letzten Akkorde sind verhallt. Fast entschuldigend teilt der Dirigent mit, dass er nun ein Lied auf der Orgel spiele, das nur seiner Mutter gewidmet sei. Und dann hören
alle eine leise, einfache Melodie, zart wie ein gehauchter Kuss. Die Zuhörer sehen eine weisshaarige Frau, die den Text eines Kinderliedes mit ihren Lippen formt und dabei weit, weit in die
Vergangenheit zurückschaut. Ganz heimlich fährt sie sich mit dem Taschentuch über die Augen. Doch dann strahlt sie übers ganze Gesicht. Ihr Sohn hat ihr vor all diesen Leuten mit einem kleinen Lied
gesagt, wie gern er seine alte Mutter immer noch hat! Das Schlusslied des Männerchors klingt danach nicht mehr so rein, weil der eine oder andere Sänger sich vorher noch die Nase putzen muss oder
weil er den Text nicht mehr genau lesen kann.
Hs.R.Klucker, 11.07.2005